Wir haben einige grundlegende Fragen zusammengefasst – bitte beachten Sie aber, dass sich die Situation derzeit fast täglich neu darstellt. In diesen für alle schwierigen Zeiten sollte vor allem eine offene Kommunikation zwischen Arbeitsgeber und Arbeitnehmer erfolgen, um die gegenseitigen Bedürfnisse möglichst einvernehmlich zu regeln. Gerne sind wir in diesem Zusammenhang für Sie da!
1. Darf man aus Angst vor Ansteckung der Arbeit fernbleiben?
Eine „generelle“ Angst vor einer Infektion allein rechtfertigt nicht, dass ein Arbeitnehmer zu Hause bleibt. Bei einem nicht erkrankten Arbeitnehmer besteht die Pflicht, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen.
Der Arbeitgeber kann aber seine Arbeitnehmer auf deren Wunsch ohne Bezahlung freistellen.
2. Was passiert, wenn es einen Verdachtsfall im Unternehmen gibt?
Grundsätzlich dürfte auch ein vager Verdachtsfall nicht ausreichen, um eigenmächtig der Arbeit fernzubleiben. Lediglich in Fällen, bei denen eine Infektion im Betrieb bekannt ist, also bei einer konkreten Gefährdung, könnte der Arbeitnehmer gegebenenfalls die Arbeit im Betrieb verweigern und damit ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Allerdings auch nur so lange, bis der Arbeitgeber geeignete und erforderliche Schutzmaßnahmen ergriffen hat.
Bei einem Infektionsverdacht dürfte der Arbeitgeber den konkret betroffenen Beschäftigten nicht im Betrieb weiterarbeiten lassen. Der Arbeitgeber sollte sich vielmehr mit den für Arbeits- und Gesundheitsschutz zuständige Stellen in Verbindung setzen und die notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Betroffenen und der übrigen Mitarbeiter treffen. Besteht lediglich ein Verdachtsfall, ist es selbstverständlich auch im Interesse des Arbeitgebers, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmern nachzukommen.
3. Dürfen Arbeitgeber bei einem Verdacht auf eine Coronainfektion eine ärztliche Untersuchung des Mitarbeiters verlangen?
Der Arbeitgeber darf nicht in das grundsätzlich geschützte Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers eingreifen. Anordnungen, sich ärztlich untersuchen zu lassen, muss der Arbeitnehmer nicht nachkommen.
4. Kann man vom Unternehmen verlangen, vor dem Großraumbüro Kontrollen einzuführen?
Ein solcher Anspruch besteht nicht. Arbeitgeber sind allerdings dazu verpflichtet, die Arbeitnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit so weit zu schützen (§ 618 BGB) und entsprechende geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Hier ist an eine Aufklärung der Mitarbeiter über Schutzmaßnahmen oder an die Bereitstellung entsprechender Desinfektionsmittel zu denken. Weiterhin muss für ausreichenden Abstand zwischen den Arbeitsplätzen gesorgt werden.
5. Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Homeoffice?
Ein genereller Anspruch auf Arbeiten im Homeoffice besteht nicht – zudem eignen sich viele Tätigkeiten nicht für ein Homeoffice. Bei geeigneten Tätigkeiten liegt es aber durchaus im Interesse des Arbeitgebers und ist für diesen auch rechtlich verpflichtend, über diesen Schritt nachzudenken und eine Vereinbarung mit dem Mitarbeiter zu erzielen.
6. Dürfen Arbeitgeber nicht erkrankte Mitarbeiter vorsorglich nach Hause schicken?
Sofern sich ein Arbeitgeber entschließt, seine Mitarbeiter als Vorsichtsmaßnahme zu Hause zu lassen, muss er die Vergütung weiterbezahlen.
7. Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer am Coronavirus erkrankt ist?
Wie bei anderen Erkrankungen hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG (maximal sechs Wochen); der Arbeitgeber erhält unter Umständen einen Teil über die Krankenkasse (Umlageverfahren) erstattet.
8. Was passiert, wenn Angehörige des Arbeitnehmers am Coronavirus erkrankt sind?
Wenn ein Kind erkrankt und dieses betreuungsbedürftig ist und der Arbeitnehmer keine andere Betreuungsmöglichkeit hat, kann für eine nicht erhebliche Zeit (3 bis max. 5 Tage) ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestehen, sofern § 616 BGB im Arbeitsvertrag nicht abgedungen ist. Hier muss immer der jeweilige Einzelfall geprüft werden, weil auch tarifvertragliche Besonderheiten gelten können.
Ist aufgrund der Erkrankung eines Angehörigen eine Maßnahme des Gesundheitsamtes gegen den Arbeitnehmer selbst angeordnet worden (Quarantäne bzw. Tätigkeitsverbot) kann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ein Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz bestehen.
9. Was passiert, wenn einzelne Mitarbeiter vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt werden bzw. ein Tätigkeitsverbot erhalten? Erhalten diese oder der Arbeitgeber eine Entschädigungszahlung?
Ist ein Arbeitnehmer Adressat einer behördlichen Maßnahme, wie z.B. Tätigkeitsverbot oder Quarantäne und kann deshalb nicht arbeiten gehen, kann er einen Entgeltanspruch gegen seinen Arbeitgeber haben.
In Fällen, in denen § 616 BGB durch Einzel- oder Tarifvertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen ist oder aus anderen Gründen nicht greift, kann ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch bestehen. Personen, die als Ansteckungsverdächtige auf Anordnung des zuständigen Gesundheitsamts isoliert werden und deshalb einen Verdienstausfall erleiden, erhalten bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Entschädigung nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes. Die Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG sollten bei behördlich angeordneter Quarantäne oder Tätigkeitsverboten in jedem Fall (vorsorglich) fristgerecht geltend gemacht werden.
10. Bekommen Selbstständige, die wegen des Coronavirus unter Quarantäne stehen oder ein Tätigkeitverbot erhalten, Entschädigungszahlungen?
Auch Selbstständige können eine Entschädigungszahlung nach dem Infektionsschutzgesetz erhalten, sofern ein Verdienstausfall gegeben ist. Dieser kann ausgeschlossen sein, wenn der Selbstständige eine Verdienstausfallversicherung unterhält und diese den einschlägigen Fall abdeckt.
11. Was passiert, wenn ich nicht zur Arbeit gehen kann, weil ich meine Kinder betreuen muss?
Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer selbst verantwortlich, sich um die Betreuung seiner Kinder zu kümmern. Wenn es sich hier aufgrund der Schulschließung um einen längeren Zeitraum handelt, findet § 616 BGB ggf. keine Anwendung. Auch hier muss im Einzelfall geprüft werden, welche Ansprüche bestehen. Ansonsten muss man mit dem Arbeitgeber Urlaub/Abbau Zeitguthaben oder sogar unbezahlten Urlaub vereinbaren. Voraussetzung ist aber immer, dass es keine andere Person gibt, die die Kinder betreuen kann.
Update 30.03.2020: Das Infektionsschutzgesetz wurde geändert. Ein Anspruch auf Entschädigung kann auch bestehen, wenn man aufgrund der Coronakrise und der damit verbundenen Schulschließungen sein Kind (unter 12 Jahren) betreuen muss und daher nicht zur Arbeit kommen kann. Neu ins Infektionsschutzgesetz aufgenommen wurde eine Entschädigungsregelung für Eltern, die wegen der notwendigen Kinderbetreuung während einer Pandemie Verdienstausfälle erleiden. Voraussetzung für die Entschädigung ist, dass die Betreuung nur durch die Eltern möglich und der Verdienstausfall nicht vermeidbar ist – etwa durch den Abbau von Zeitguthaben. Auch Ansprüche auf Kurzarbeitergeld gehen dem Entschädigungsanspruch vor. Die Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des Nettoeinkommens wird für bis zu sechs Wochen gewährt und ist auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2.016 Euro begrenzt.
12. Kurzarbeit
Bei der Kurzarbeit gelten neue gesetzliche Regelungen, die die Einführung erleichtern. Gibt es einen Betriebsrat, kann man mit diesem eine Betriebsvereinbarung über die Kurzarbeit treffen. Ansonsten muss der Arbeitnehmer sein Einverständnis zur Kurzarbeit erklären. Bei der Kurzarbeit schließen sich diverse weitere Fragen an. So haben Auszubildende, Altersrentner, Werkstudenten, Minijobber im Regelfall keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Streitig ist, ob Urlaubsansprüche während der Kurzarbeit entstehen.
Sofern Sie zum Thema Corona und Arbeitsrecht Fragen haben, stehen Ihnen Herr Dr. Jochen Sues (Fachanwalt für Arbeitsrecht) und Frau Dörthe Leopold (Fachanwältin für Arbeitsrecht und Sozialrecht) gerne zur Verfügung.
Rechtsanwälte Mottl, Wilhelm, Leopold, Gurk, Sues, Köhn